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BEEN TO SIBERIA AND SURVIVED

Vorweg: Die Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn ist für travel junkies ein Muss. Seit 30 Jahren hatte ich im Hinterkopf, dass ich mir diesen Lebenstraum irgendwann einmal erfüllen möchte. Muss allerdings zugeben, dass ich den Entschluss, diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen,  kurzfristig und ziemlich blauäugig gefasst habe. Da man mir als ideale Jahreszeit den Herbst mit seiner wunderschönen Laubfärbung und den akzeptablen Temperaturen empfohlen hatte, war die Frage: jetzt oder nie! Aber man muss schon einen kleinen Hang zum Masochismus haben, um als fast 72jährige dieses Projekt anzugehen. 


Transibb
Die Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn ist für travel junkies ein Muss.

   

Info zur Transsib: Diese Eisenbahnstrecke ist die längste der Welt. Ursprünglich von Moskau nach Wladiwostok - 9258 km lang - Baubeginn 1891 - später kam die Abzweigung durch die Mongolei nach Peking hinzu, die heutzutage von den Touristen favorisiert wird.  Ich hatte mich für eine reduzierte Version bis nach Ulan Ude (nahe an der mongolischen Grenze) entschieden, alldieweil ich vorab wusste, dass meine Aufnahmekapazität für die vielen neuen Eindrücke und Erfahrungen eingeschränkt ist - gemäß dem Motto: weniger ist mehr

Reiseverlauf: Von Hamburg aus bin ich nach Moskau geflogen, wo mich ein Fahrer erwartete und ins Hotel brachte. Für 20 km benötigten wir fast zwei Stunden. Moskau und Verkehrskollaps sind für mich identische Begriffe. Aggressives Fahren ist wohl zwingend notwendig, um irgendwann einmal sein Ziel zu erreichen. Ich hatte schon damit gerechnet, dass ich mein Leben und diese Reise auf den achtspurigen Strassen beenden  werde. Verkehrsregeln  werden nicht beachtet - man schert von rechts nach links aus oder umgekehrt, um auch nur eine Wagenlänge an Vorsprung zu gewinnen. Dementsprechend hoch sind auch Zahlen der Unfälle. Ich fühlte mich an eine Information erinnert, dass die reichen Russen, die von A nach B wollen,  einen Krankenwagen mit Sirene anheuern, um ihr Ziel schneller zu erreichen. Nachdem sich dieses korrupte Verfahren unter der Bevölkerung rumgesprochen hatte, bildeten viele Moskowiter keine Rettungsgasse mehr - fatal für die wirklich Verletzten.

Am nächsten Morgen wurde ich von Galina  - wer erinnert sich nicht an Gilbert Becault mit seinem wunderschönen Song "Natalie" - mon guide - zu einer dreistündigen Führung durch Moskau abgeholt. Metro, Kreml, Roter Platz, Basilika, Gum und andere sight-seeing-Objekte standen auf dem Programm - done Moskau in one day ! Mir war die Stadt (12 Mio Einwohner) einfach zu groß - große Städte üben keinen besonderen Reiz auf mich aus.

Nun galt es Zeit totzuschlagen, denn mein gebuchter Zug fuhr erst gegen Mitternacht von einem der schönsten Bahnhöfe Moskaus ab. Architektonisch schöne Bahnhöfe habe ich häufig gesehen. Wahrscheinlich das Aushängeschild der entsprechende Stadt. 

Da stand ich nun mit meinem Gepäck und konnte weder die Durchsagen verstehen noch die Informationstafeln lesen. Und dann trat Uli in mein Leben. Er wird mir mein Deutschsein angesehen haben, denn er sprach mich auf Deutsch an und half mir das richtige Gleis zu finden. Seine Geschichte hat mich berührt. Er hatte vor vier Jahren den Trip mit der Transsib gemacht, und da er des Öfteren in Moskau geschäftlich zu tun hat, geht er gern zur Abfahrtszeit der Transsib auf den Bahnhof  und schaut sich das Einsteigen der Passagiere und die Abfahrt des Zuges an. In Memorium. Wenn das nicht Nostalgie ist? Was dann?

Da ich mir den Luxus eines 1. Klasse Abteils gegönnt hatte, konnte ich es mir in einem 2-Bett-Abteil mit frischer Bettwäsche, Handtüchern, Slippern, Einmal-Zahnbürste, einem Tee-Vorrat und einer Tafel Schokolade gemütlich machen. Aprospos Tee: In jedem Waggon des gesamten Zuges befindet sich ein Samowar mit heißen Wasser, wo man sich zu jeder Tages- und Nachtzeit seinen Tschai oder auch eine heiße 5-Minuten-Terrine zubereiten konnte. Ferner war es ein nicht unwesentlicher Vorteil der 1. Klasse, dass es sogenannte Bio-Toiletten gab, die man auch während der Stopps benutzen konnte. Ansonsten wurden die Toiletten ca. 20 Minuten vor den Bahnhöfen und danach aus nachvollziehbaren Gründen vom Zugpersonal abgesperrt. Ich hatte Glück, mein Abteil mit einer jungen Russin zu teilen, die in Finnland lebt, Englisch sprach und zu ihrer Familie nach Irkutsk fuhr. Damit hatte ich sozusagen eine Dolmetscherin frei Haus. 

Die erste Nacht im Zug war gewöhnungsbedürftig. Der Zug ratterte, schlingerte, holperte, knallte , schaukelte, bremste, schüttelte über die alten Gleise und Weichen, dass von Schlafen für mich kaum die Rede war. Obendrein schnarchte im Nebenabteil der Schaffner, der gerade außer Dienst war (2 Zugbegleiter pro Waggon teilen sich den 24stündigen Dienst) wie ein Bär. Aber was soll's - ich war da, wo ich hin wollte. 

Dann folgten noch zwei Nächte und drei Tage der totalen Entschleunigung. Es rauschten die Wälder in schönstem Laub mit leichter Verfärbung, russische Dörfer, einfache Holzhäuser,  das Uralgebirge und ab und zu ein Stopp an einem Bahnhof an mir vorbei. Ich nahm Kontakt mit meinen anderen Mitreisenden auf. Vater und Tochter aus Irland, Vater und Sohn aus der Schweiz, Mutter und Sohn aus Schweden und wie auf ein geheimes Zeichen trafen wir uns am dritten Abend im Speisewagen, wo sich noch Francesco und Michele aus Italien zu uns gesellte,  und wir  dann mit ein paar Wodka auf das Leben, die Liebe unter den Völkern   und das grandiose Abenteuer mit der Transsib unterwegs zu sein,  anstießen. Costa - ein Hubschrauberpilot bei der russischen Armee - krönte unsere Runde mit einem geräucherten Fisch, den er auf einem der Bahnhöfe erworben hatte. Selbst die beiden Speisewagenbediensteten hatten ihren Spaß mit uns, so dass sie mir und den beiden Italienern, das Rauchen im Klo - war sehr gemütlich -  erlaubten, denn Rauchen ist ansonsten im gesamten Zug untersagt. Russland ist zum Land der Nichtraucher und Nichttrinker geworden - das letztere möchte ich doch eher bezweifeln,

Nach drei Nächten und drei Tagen konnte ich in Krasnojarsk meine 40 cm breite Liege endlich gegen ein normales Hotelbett eintauschen - war das schön! Und die Dusche erst ! Für meinen  freien Tag in Krasnojarsk hatte ich mir folgendes Projekt vorgenommen: Ich wollte mir ein Buch besorgen, da ich das auf die Reise mitgenommene schon während der Zugfahrt ausgelesen hatte. Ohne Buch bin ich nur ein halber Mensch - ergo musste etwas Lesbares  her - koste es was es wolle, Leider gehöre ich zu den hoffnungslos altmodischen Menschen, die kein Smartphone bedienen können, sonst hätte ich mir Lesestoff runterladen können. Überhaupt habe ich es sehr bedauert, dass ich mich mit der modernen Technologie nicht vor der Reise per Kurs bei der Volkshochschule oder so vertraut gemacht habe. Ich habe andere Reisende beneidet, dass sie per google maps immer wussten , wo sie waren oder welchen Weg sie einschlagen mussten respektive eine Übersetzungs-App nutzen konnten etc. 

Ich habe auch mit Hilfe von Passanten nach langer Sucherei, eine kleine Buchhandlung gefunden. Fehlanzeige: nur Bücher auf Russisch im Angebot - nichts auf Englisch.

Aufgeben gibt es nicht für mich - stur wie ich nun mal bin. Eine große Shopping Mall musste her. Dort wollte ich mein Glück versuchen. Nach gefühlten drei Stunden und drei verschiedenen Busirrfahrten bin ich fündig geworden. Ein englischsprachiges Buch konnte ich mein eigen nennen. Der größte Scheiß - The game of Thrones - aber ein Wälzer, der mich über die nächsten Wochen vor dem literarischen Aushungern bewahrte.

Am nächsten morgen legte dann mit einstündiger Verspätung das Postschiff auf dem Jenissej ab. Die 18 Stunden auf einem der längsten Flüsse der Welt - ins Eismeer mündend - waren schon ein besonderes Highlight. Nicht ganz so highlightig war die Unterbringung in der Holzbankklasse. Wie das Wort schon sagt: es waren Holzbänke, die zwar auch zum Liegen vorgesehen waren, aber die Auflagen waren so versifft, dass ich mir lieber den Allerwertesten wundgesessen habe,  als diese Kissen auch nur mit der Kneifzange anzufassen. Aber Spaß gemacht hat trotzdem. Eine wunderschöne Flusslandschaft zog an mir vorbei, ab und zu ein einsamer Angler - ansonsten gold- und rotleuchtende Bäume und Sträucher - Natur und Entschleunigung pur. Ich habe Birgit aus Österreich kennengelernt, die ein paar Wörter Russisch konnte, und wir haben mit unseren russischen Kabinenmitbewohnern, Obst, Buletten, Tomaten, Gurken und Wodka teilen dürfen. Lange nach Mitternacht sind wir dann in Jenissejsk "Vater der sibirischen Städte" angelandet, wo ein Hotelzimmerchen auf mich und Birgit wartete.

Über Nacht hat es dann geschneit - außergewöhnlich für den frühen September. Mein guide Lena führte mich durch die kleine Stadt mit mehreren kleinen Kirchen, aktiven Klöstern und alten Häusern. Jenissejsk hatte sich vor mehreren Jahren um die Aufnahme in die Weltkulturerbe-Liste bemüht. Leider ohne Erfolg. Ich habe wieder mal die beeindruckenden Ikonen, Wandmalereien und Kirchenschätze bewundert und drei Kerzen im Männerkloster entzündet. Eine für den Weltfrieden, eine für das Wohlergehen all meiner Lieben und eine für Lena und ihre Familie. Ich hoffe sehr, dass es nützen möge.

Nachmittags und um einige Gepäckstücke schwerer (ich habe mich noch für einen eisigen sibirischen Winter mit einem Wollschal, Leggins und einem Wollpullover eingedeckt) ging es mit dem öffentlichen Bus (7  Std.) zurück nach Krasnojarsk und weiter mit der Transsib.

Weiter ging es nach Irkutsk - für mich die schönste Stadt auf meiner Tour. Liegt am Fluss Angara - der aus dem Baikalsee gespeist wird und in den Jennissej fließt. Meine Führerin, warf nur mit Fakten und Zahlen nur so um sich - typisches Lehrerinnengehabe - so dass ich nach eineinhalb Stunden die Führung abbrach und mich allein auf den Weg machte - z.B. zum Zentralmarkt, wo ich mich mit Wurst, Tomaten usw. eindeckte, um auf einer Parkbank ein Picknick zu veranstalten. Das Wetter hatte sich inzwischen gebessert und ich war bester Stimmung. Nicht lange: Denn meine kleine Privatunterkunftsgastgeberin Nadeschka hatte mir einen Schlüssel für ihre Wohnung übergeben, der vorsintflutlicher nicht sein konnte. Die Wohnung lag zentral, aber ich musste feststellen, dass meine Orientierungskurve sich steil bergab bewegt, und ich mich hoffnungslos in den Straßen Irkutsk verlaufen hatte. Keiner, aber auch keiner der Passanten, die ich um Wegweisung bat, verstand mich oder wollte mich nicht verstehen. In einem großen Hotel bekam ich dann den entscheidenden Tipp. Nun begann das, was ich als ein Schlüsselerlebnis bezeichnen möchte. Ich bekam die Tür nicht auf und meine Gastgeberin war nicht zu Hause, so dass auch die Klingel unnütz war. Als dann ein freundlicher Mensch aus der Nachbarwohnung - der perfekt Englisch sprach - sein Glück ohne Erfolg versuchte, war ich schon ziemlich frustriert, da ich auch dringend das WC aufsuchen musste. Doch dann kam Gott sei Dank Nadeschka vom Einkaufen zurück, und ich war in jeder Beziehung erleichtert. Hier endet das Drama um Tücke von russischer Schlosstechnik noch nicht. Am Nachmittag traute ich mich wieder aus der Wohnung. Nadeschka gab mir noch eine weitere Einweisung bezüglich der Handhabung der Schließanlage. Trotzdem war es mir nicht möglich bei meiner Rückkehr die Tür zu öffnen. Die kleine süße Nadeschka (so um die 75) war zwar zu Hause, konnte aber die Tür nicht öffnen, da sie selbst keinen Schlüssel zur Hand hatte, denn sie hatte alle verfügbaren Schlüssel an die Touristen abgegeben. Mit Engelsgeduld versuchte sie mir Anweisungen zu geben: dreimal nach rechts - viermal nach links, drücken, ruckeln und das  alles mit Gefühl. Aber mir war das Gefühl abhanden gekommen. Der Retter in der Not war dann wieder ein Uli - diesmal aus dem Stuttgarter Raum. Er machte die Tür mit links auf und hinterher haben wir in Nadeschkas Küche sein unglaubliches Talent russische Türschlösser zu beherrschen mit Wodka begossen. Er bereitete auch noch einen herrlichen Salat zu, lud mich dazu ein und Nadeschka steuerte das Brot bei. Den Wodka mit uns zu trinken, lehnte sie aber ab.  Die Würfel waren gefallen. Ich wollte wieder ins Hotel, wo ich mit einer einfachen E-Karte in mein Zimmer kann. Aber zuerst ging es an den Baikalsee auf die Insel Olchon - die als das Herz des Sees bezeichnet wird.

Birgit aus Österreich und ich trafen uns bei der Anreise mit dem Privatwagen wieder. Sie hatte bei Doris Knop auch diesen Ausflug auf die Insel gebucht - wir waren ja schon so etwas wie Reiseschicksalsgefährtinnen.

Sechs Stunden Autofahrt mit einer Fährübersetzung und wir waren im Land der Schamanen. Im ganzen Baikalgebiet ist das Schamanentum weit verbreitet, da der mongolische Einfluss sehr stark ist.

Der Baikalsee ist das größte Süßwasserbecken der Erde und mit bis zu 1700 m gleichzeitig der tiefste See..

Das Wetter war  spätsommerlich schön, die Unterkunft in kleinen Holzhäuschen mit Dusche und WC perfekt, und die zur Anlage gehörenden Hunde zutraulich und bildhübsch. 

Am nächsten Morgen machten wir einen Tagesausflug zum Nordkap im Minibus mit Vierradantrieb aber ohne Stoßdämpfer. Ich bin an gravel roads von Alaska und Nordkanada her gewöhnt, aber hier handelte es sich weder um gravel noch um road. Schlaglöcher metertief, Baumstämme im Weg, Matschpfützen ohne Ende - Paris Dakar dagegen ist ein Sonntagsausflug. Es stank im Innenraum nach so stark nach Diesel, dass jeder Klebstoffschnüffler dankbar für dieses kostenlose high gewesen  wäre. Der Fahrer war ein Sadist. Er nahm jedes Schlagloch mit und das ganze bei einer Geschwindigkeit, die teilweise bei 80 kmh  lag. Wer Rücken hat, hätte sich bei einem der Stops von den Klippen gestürzt, um einer Weiterfahrt zu entgehen. Ich habe auch kurz damit geliebäugelt, mich dann aber von Birgit überreden lassen, tapfer zu sein. Ob die wunderschönen Ausblicke es wert waren, weiß ich heute nicht mehr. Ich habe nur darum gebetet, dass die insgesamt 70 km endlich hinter mir liegen, und ich meine geschundenen Glieder mittels einer heißen Dusche wieder zum Leben erwecken kann. War wohl nichts. Die Dusche war zwar warm aber nur ein Rinnsal. Doch es gab ja eine  hochprozentige Medizin, die Birgit, und ich mit Mathieu, Maren und zwei polnischen Männern im Garten unserer Holzhausanlage ausgiebig anwenden konnten. Die jungen Leute empfanden die Fahrt allerdings  als vergnüglich und abenteuerlich. Ich dagegen als den Vorhof zur Hölle. Daher habe ich dann weise auf die für den nächsten Tag geplante Tour zur Südspitze verzichtet und habe eine schamanische Klangschale erworben, deren sanfte Töne zum Ruhen und Meditieren anregen.

Am nächsten Tag ein 12stündiger Ausflug am Baikalsee entlang mit der Baikalbahn, die von einer Dampflokomotive gezogen wurde. Für Eisenbahnfans ein Supererlebnis - ich habe einfach nur die schöne Aussicht genossen.

Das beste kommt ja bekanntlich zum Schluss und das war für mich definitiv der Abstecher nach Ulan-Ude, die Hauptstadt der Republik Burjatien - 150 km von der mongolischen Grenze entfernt - Transsib-Kilometer 5647.

Ich wohnte bei Olga. Eine liebenswerte, charmante Dame meines Alters, die ein Faible für afrikanische Kleider und afrikanischen Schmuck hatte. Sie sprach nur ein wenig Englisch, dafür aber perfekt französisch. Ich musste mein längst eingerostetes  Schulfranzösisch hervorkramen und so konnten wir uns einigermaßen verständigen. Sie machte für mich ein fantastisches Abendessen mit burjatischen Spezialitäten begleitet von einer Flasche georgischen Weines, die ich nach längerer Sucherei in einem gut sortierten Supermarkt kaufen konnte. Fakt ist, dass in Russland die Renten so niedrig sind, dass selbst Menschen, die einen akademischen Beruf ausübten, kaum über die Runden kommen. Außerdem macht der sinkende Rubelkurs das Leben für alle Bürger zu einer finanziellen Kraftanstrengung. Daher haben sich so einige Frauen im Rentenalter auf das Beherbergen von Touristen in ihrer Wohnung spezialisiert. Bei Olga habe ich mich sehr wohl gefühlt. Ihre Wohnung war für russische Verhältnisse - man könnte fast sagen - elegant eingerichtet, und auch das Badezimmer war voll funktionstüchtig. Am nächsten Tag wurde ich von Larissa abgeholt, um zum Lamakloster und zu den Altgläubigen durch eine wunderschöne Tiefebene mit schneebegipfelten Bergen am Horizont zu fahren. Die Tempel mit den Gebetsmühlen und die Einführung in die Buddhistische Lehre ,  ihre Riten und ihre Lebensweise haben mich stark beeindruckt. Wer weiß, vielleicht werde ich auf meine alten Tage noch zum Buddhismus konvertieren. 

Außergewöhnlich war das Sandmandella, welches vier Mönche jeweils auf Ost, West, Süd, Nord im Lotussitz sitzend in allen erdenklichen Farben aus Sand, der durch einen Minitrichter rinnt, erstellt haben. Ich hatte das große Glück, es bewundern zu dürfen, denn an einem x-beliebigen Tag wird die schützende Glasumhüllung entfernt und das Kunstwerk wird dem Wind preisgegeben. Ein Synonym für das Vergängliche von aller Existenz. 

Bei den Altgläubigen war alles anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Generell besteht zwar eine Absage an die moderne Welt, was aber nicht so strikt wie bei den Amish people eingehalten wird. Diese Menschen hatten vor Jahrhunderten sich gegen die Reformierung der griechisch-orthodoxen Glaubensrichtung gewendet und wurden demzufolge verfolgt. Es fand eine Emigration nach Polen statt. Katharina die Große wollte Sibirien besiedeln und bot Glaubensfreiheit,  Land, keine Steuerbelastung und andere Formen der Unterstützung an, um eine Rückkehr ins russische Reich zu provozieren. Heute leben circa 250.000 Menschen wieder in Russland - 40.000 davon in der Baikalregion. Dania unsere Gastgeberin (eine kleine französische Gruppe war auch noch mit von der Partie) empfing uns am Tor zu ihrem Anwesen in ihrer Tracht und ein Nachbar - ebenfalls in Tracht -  spielte mit der Ziehharmonika ein paar russische Weisen. Uns wurde noch draußen vor dem Tore frisch gebackenes Brot und Salz gereicht. Dann durften wir ihr Wohnzimmer betreten, wo  ein Gastmahl für uns vorbereitet war. Eine traditionelle Suppe, ein dem Mozarella ähnlicher Käse, Tomaten, eingelegte Salzgurken,  gefüllte Teigtaschen, kleine Fleischscheiben, die mich an unser Kassler erinnerten - alles im Dorf hergestellt. Zum Nachtisch gab es süßen Reis mit Butterschmalz und  Miniaturäpfeln von einer Sorte, die ich zuvor noch niemals gesehen hatte. Dazu wurde hausgebrannter Kräuterschnaps gereicht, obwohl die Altgläubigen selber keinen Alkohol trinken - ein Zugeständnis an die Touristen. Dania stieß zwar auch mit jedem von uns an, hatte aber Wasser in ihrem Glas. Wie auch schon in Georgien erlebt, trinkt man nicht,  ohne vorher einen Toast auszusprechen. Es wurde auf die Gesundheit, die Liebe, die Freundschaft und auf den Tag, der uns hier zusammengeführt hat, angestoßen. Dann gab es noch eine folkloristische Darbietung der Werbe- und Hochzeitszeremonie, wofür zwei der französischen Touristen herhalten mussten. Alles in allem ein sehr lebensfroher und sehr informativer Tag. Meine Larissa hat in perfektem Deutsch alles für mich übersetzt und erklärt. Ich war in höchstem Maße erstaunt, dass sie ihre Deutschkenntnisse nur in der Schule und auf der Universität erworben hat. Neben einem großzügigen Trinkgeld bekam sie dann noch von mir eine im Dorf handgearbeitete Halskette, die sie schon den ganzen Sommer über bei Besuchen vor Ort bewundert hatte, sich aber nicht leisten konnte, obwohl wir in unserem reichen Deutschland über den Preis nur gelächelt hätten.

Zurück ging es mit dem Nachtzug nach Irkutsk, wo ich bei Nadeschka frühstücken und Duschen  konnte,  bevor es zum Flughafen  ging. Sechs Stunden bis Moskau, Umsteigen in den Flieger nach Hamburg. Nach 18 Stunden war ich zu Hause, erschöpft und müde wie 1000 Russen, aber glücklich das Abenteuer Transsibirische Eisenbahn gewagt zu haben.

Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass wir hier in Deutschland im Paradies leben, auch wenn es ab und zu mal was zu meckern gibt. 

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